19.10.2023
Presseschau - Wie geht es unserem Hendrik?
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Über drei Jahre sind nach dem tragischen Unfall vergangen. Seither meistert unser ehemaliger A-Junior Hendrik Radke mit extrem viel Biss und Zuversicht seinen steinigen Weg zurück Richtung "Normalität". Sportredakteur Jakob Maschke veröffentlichte dazu heute ein aktuelles Portrait über den Kampf von Hendrik und titelte: "Mit Handschuhen und Zuversicht - Unfall bringt Hendrik Radke zum Rollstuhlbasketball. Trotz kaum nutzbarer Hand will er durchstarten."

Unzählige Glückwünsche erreichten Hendrik Radke am vergangene Samstag und in den Tagen danach. Eltern, Freunde und Bekannte wurden nicht müde, ihm zu seinem Debüt für die RSB Thuringia Bulls in der Rollstuhlbasketball-Bundesliga zu gratulieren. Doch es spricht für den Charakter des 21-Jährigen, wie er selbst die gut zwei Minuten betrachtet, die er für den sechsfachen deutschen Meister am Samstag im Fit-In Elxleben beim 84:56-Heimsieg gegen den BBC Münsterland absolvieren durfte: „Richtig zufrieden bin ich erst, wenn ich in der entscheidenden Phase spielen darf und nicht, wenn das Spiel sowieso gewonnen ist.“

Worte, die Jens Albrecht, Führungsspieler des Bundesliga- und Trainer des Regionalligateams, für das Radke in erster Linie spielt, freuen: „Hendrik ist ein Musterbeispiel dafür, was man durch harte Arbeit und Ehrgeiz erreichen kann.“

Denn viele hätten nach dem, was dem jungen Mann aus Wenigenehrich, einem Ortsteil der Stadt Greußen im Kyffhäuserkreis, am 19. Juni 2020 widerfahren ist, den Kopf in den Sand gesteckt. Radke war mit seiner Freundin kurz nach dem bestandenen Abitur bei einer Party. Freunde sprangen in den Aufstellpool im Garten, auch Radke wollte ins kühle Nass hüpfen. „Ich habe Anlauf genommen, bin dann aber auf der Leiter des Pools ausgerutscht und mit dem Kopf voran auf dem Boden gelandet, das Wasser war nur 80 Zentimeter tief“, beschreibt er den Abend, der sein Leben für immer veränderte. Nach dem Unfall waren seine Arme taub, die niederschmetternde Diagnose: inkompletter Querschnitt, der sechste Halswirbel war verletzt.

„Für meine Eltern war das total schlimm, ich dagegen habe schon wieder Hoffnung geschöpft, als ich die Arme dann doch wieder bewegen konnte“, sagt Radke, dem man im Gespräch schnell anmerkt, dass bei ihm das Glas immer mindestens halbvoll ist.

Fest stand: Das mit dem Fußball war für den talentierten Sechser, den die Trainer wegen seiner Kampfstärke „Wildschwein“ nannten und der bei Eintracht Sondershausen auf dem Sprung in die erste Mannschaft stand, vorbei. Auch Sportlehrer konnte er nicht mehr werden. Den Rollstuhl erkannte er indes schnell als neue Chance statt Hindernis. Sätze wie „Das ist nicht schlimm“ und „Man muss das Beste daraus machen“ sagt er oft.

Nach einem Jahr Reha in Brandenburg fing er mit Krafttraining an, wollte wieder Sport treiben. Bei einer Nachuntersuchung in Bad Berka lernte er zufällig einige Rollstuhlrugbyspieler der Thuringia Bulls kennen. Die wollten ihn für ihre Sportart begeistern, für die er sich sehr gut eignete, da dort drei Extremitäten versehrt sein müssen, was bei ihm mit den Beinen und der rechten Hand, mit der er bis heute kaum greifen kann, der Fall ist. Doch er wollte stattdessen Rollstuhlbasketball spielen, „weil mich das mehr gereizt hat und man sich da mehr verbessern kann“, meint er.

Gesagt, getan: In Elxleben nahm ihn André Bienek, seinerzeit Nationalspieler und Trainer der zweiten Mannschaft, unter seine Fittiche. „In der ersten Saison war ich Bankwärmer, musste mich erstmal zurechtfinden“, sagt der Student fürs Grundschullehramt im dritten Semester. Schon in der zweiten Saison hatte er eine deutlich größere Rolle, weil er viel Spielverständnis aus seiner Fußballzeit mitbrachte, mit seiner Größe hinten ein starker Verteidiger war und vorn die Schützen freiblocken konnte – auch in Elxleben durfte er „Wildschwein“ sein. Der Lohn: der Regionalliga-Meistertitel und nun fünfmal die Woche Training im Bundesliga-Kader.

„Das Tempo, das dort so viel schneller ist, war anfangs überwältigend. Ich habe viele Fehler gemacht und mich gefühlt wie ein Trottel. Aber die anderen sind sehr einfühlsam, einfach coole Socken, bei denen man sich wohlfühlt“, so Radke. Inzwischen hat er sich im Training besser an die Geschwindigkeit gewöhnt, auch wenn er weiß, dass er trotz seines Debüts „noch lange kein Erstliganiveau“ hat. Dafür sei er nach wie vor zu langsam und ungelenk mit dem Rollstuhl. Weil er in seiner rechten Hand so wenig Kraft hat, braucht er rutschfeste Handschuhe, um sich beim Bremsen nicht die Hände zu verbrennen und mehr Ballkontrolle zu haben.

Doch der erste Schritt ist gemacht. Wenn er das mit dem Fahren hinkriegt, dürften weitere folgen.
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