12.03.2022
Presseschau zu Bogdan Ungurian und Yurii Shevchuk
Bild vergrössern
So fern und doch so nah - mittendrin unsere ukrainischen Spieler Bogdan Ungurian und Yurii Shevchuk.
Was sie seit der Eskalation am 24. Februar zu erzählen haben hat Sebastian Fernschild in einem Interview zusammengefasst.
In der heutigen Ausgabe titelte er dazu: "Aus dem Ungewissen ins Ungewisse - Der für Eintracht Sondershausen spielende Ukrainer Bogdan Ungurian ist wieder in Deutschland"

Es war wie ein Wink des Himmels. Der Sondershäuser Fußballspieler Bogdan Ungurian, der aus der Ukraine stammt, ist wieder in Deutschland. Dabei hatte seine Mutter das gewisse Gespür, um ihren Sohn in Sicherheit zu bringen und selbst in ihrem Heimatland zu bleiben.

„Ich fühle mich gut, aber ich bin sehr verärgert über die Situation in der Ukraine. Ich lese jede Stunde die Nachrichten und habe natürlich große Sorgen. Meiner Familie geht es soweit gut, meine Mutter ist in der Westukraine in Czernowitz und mein älterer Bruder in Tschechien“, beschreibt Ungurian ein wenig seine Situation und macht dabei einen gefassten Eindruck. Beeindruckend für einen 21-jährigen jungen Mann, dessen Zukunft ungewiss ist und dessen Heimatland mit jedem Tag mehr zerstört wird.

Dieser völlig überflüssige und sinnlose Krieg brach offiziell am 24. Februar aus. Einen Tag zuvor, am Mittwoch, versuchte es seine Mutter einfach. Mit freilich viel Angst und jeder Menge Unsicherheit, was passieren könne, fuhr sie Bogdan über die Grenze nach Moldawien. Mit etwas Geld, etwas zu Essen und Trinken ausgestattet, ging die Reise für den 21-Jährigen los. Sein Ziel: Sondershausen, zurück zum Fußball, zurück in die Sicherheit. Aber auch hin in absolute Ungewissheit, gepaart mit dem Gedanken, sein Heimatland im Stich zu lassen.

Über 30 Stunden war er unterwegs. Bis nach Moldawien war es nicht weit. Dann aber die Fahrt mit einem Bus, der bereit stand. So wirklich sicher war sich Ungurian nicht, wo er genau hinfahren würde, wann er ankommt und wie es dann weitergeht. Zermürbend.

„Freitagabend kam der Anruf von einem Bekannten, dass sich Bogdan nun in der Slowakei aufhält und weiter Richtung Sondershausen kommt. Da stand das Telefon natürlich nicht mehr still und wir mussten alles organisieren, damit wir ihm eine bestmögliche Ankunft bieten konnten. Ich war mit Trainer Axel Duft im regen Austausch“, sagt Matthias Springer, Präsident von Eintracht Sondershausen, der sich gerade mit seiner Frau zu einem Wochenende in den Harz aufgemacht hatte. Da war es erstmal vorbei mit der Entspannung, wie er es beschreibt mit einem Schmunzeln.

Am Samstagmorgen kam er dann an, völlig übermüdet und entkräftet.

In Sondershausen wurde er von einer Betreuerin empfangen. „Wir hatten gleich eine Unterkunft für ihn, wo er sich erstmal ausschlafen konnte“, erzählt Springer. Aber Ungurian, pflichtbewusst, stand schon am Nachmittag mit der Mannschaft beim Testspiel gegen Fahner Höhe II im Kader und spielte die letzte Viertelstunde, holte einen Elfmeter heraus, den er selbst schoss, jedoch scheiterte.

„Wir sind einfach sehr froh, dass er es geschafft hat. Natürlich beschäftigt ihn die gesamte Situation sehr. Sein Bruder ist auch außerhalb der Ukraine. Seine Mutter ist in einem Ort, der relativ ruhig und sicher ist, nach jetzigem Stand zumindest. Wenn man das so sagen kann“, spürt man auch bei Matthias Springer eine gewisse Unsicherheit und dass es ihm sehr nahe geht.

Allgemein bedrückt es die Mannschaft sehr. Nicht nur, dass der Krieg ohnehin für alle kräftezehrend und beunruhigend ist. Wenn man quasi direkt involviert ist und aus erster Hand Informationen und Geschichten erfährt, bekommt das Ganze eine andere Bedeutung.

Deshalb schauen Ungurian und ganz Eintracht Sondershausen jeden Tag aufs Handy. Zum einen, um bestens informiert zu sein. Und zum anderen, um zu wissen, wie es einem weiteren Spieler der Eintracht geht. Denn Yurij Shevchuk ist weiterhin in der Ukraine und berichtet täglich. „Ich habe jeden Tag zu ihm Kontakt, einfach um zu wissen, wie es ihm geht. Noch scheint es ihm gut zu gehen. Wir kommen aus der gleichen Stadt und er ist aktuell in Sicherheit“, sorgt Ungurian ein klein wenig für so etwas wie Beruhigung. Dabei ereilte Shevchuk ein unglücklicher Umstand.

„Er hatte geplant, seinen Geburtstag noch zu Hause zu feiern und dann wieder zu uns zu kommen. Das haben wir natürlich bejaht. Dann aber kam alles anders und nun kann er nicht mehr raus“, beschreibt Springer die Situation. Shevchuk hatte am 26. Februar Geburtstag, wäre sein Ehrentag ein paar Tage früher, wäre er wahrscheinlich nun auch hier.

Nun muss er jeden Abend in den Schutzbunker und sich bereithalten für eventuelle Handlungen.

Ungurian bleibt indes optimistisch, aber auch kämpferisch: „Russland hat einen Krieg begonnen, der viele Zivilisten in Mitleidenschaft gezogen hat. Ich bin sicher, wir können sie aufhalten. Es ist nur eine Frage der Zeit. Ich wurde hier in Sondershausen sehr gut aufgenommen und die Mannschaft ist super. Der gesamte Verein kümmert sich sehr gut.“

So hofft nicht nur er, dass der Krieg bald ein Ende hat. Dass Ungewissheit und Angst bald aufhören. Ablenken wird er sich weiter mit Fußball, der Verein steht hinter ihm und versucht, Shevchuk so schnell wie möglich in Sicherheit zu bringen. „Wir als Verein unterstützen, beteiligen uns an Aktionen und dem Spenden verschiedener Dinge. Einige Mitglieder sind bei Hilfstransporten dabei. Was noch bemerkenswert ist, wie schnell und gut Bogdan deutsch gelernt hat“, so Springer. Ein Kämpfer eben.
Bild vergrössern